Der Wunschbrunnen

Posted on December 29, 2022 by Chris

Das Jahr 2022 neigt sich dem Ende zu; und auch wenn wir durch die Sperr-Parade einen etwas unpassenden Beigeschmack unter die letzten Wochen bekommen haben, waren es alles in allem doch sehr ereignisreiche und durchaus gute 12 Monate, die die Main Tour für uns parat hielt. Doch darüber will ich heute gar nicht schreiben, denn schließlich haben Kathi, Andreas und ich das Ganze bereits sorgfältig durchgesprochen. Nein, ich würde gerne zwölf Wünsche für das kommende Jahr äußern, quasi einen für jeden Monat. Wenn auch nur die Hälfte davon tatsächlich eintritt, kann ich wohl Ende 2023 behaupten, dass es ein gutes Jahr war (oder zumindest ein sehr kurioses).

Januar - Manipulations-Skandal aufbereitet

Ich schätze mal, dass wir das so ziemlich alle auf dem Wunschzettel haben. Der Manipulationssumpf um mittlerweile acht chinesische Spieler hat uns kurz vor Jahresende kalt erwischt. Man kennt noch keine Details, aber allein die Masse der Spieler, die veröffentlichten Statements sowie Gerüchte lassen nichts Gutes erahnen. Dass hier eine detaillierte, gründliche und vor allem saubere Aufarbeitung benötigt wird, sollte klar sein. Die Verantwortlichen müssen bestraft und sämtliche Unklarheiten ausgeräumt werden. Ich hege die Hoffnung, dass WST und die WPBSA hier das nötige Fingerspitzengefühl walten lassen, um die Öffentlichkeit zu gegebener Zeit umfassend über alles zu informieren. Dies ist nach der Unsicherheit der letzten Wochen auch für die zukünftige Integrität des Sportes unerlässlich.

Februar - German Masters überzeugt auch ohne Top-Feld

Die Qualifikation für das German Masters lief für die meisten Top-Spieler - vorsichtig ausgedrückt - eher mäßig erfolgreich. Nur sechs Top-16- bzw. 13 Top-32-Spieler schafften den Sprung in das Hauptfeld des Tempodroms und davon ist zudem einer derzeit gesperrt. Dass man für grandiose Snookerunterhaltung nicht unbedingt nur die großen Namen braucht, haben bereits vergangene Turniere (unter anderem auch in Berlin) bewiesen. Aus diesem Grund bin ich mir sicher, dass auch die 2023er-Ausgabe des German Masters ein fantastisches Erlebnis für jeden Snookerfan wird. Ich freue mich bereits jetzt auf den Viertelfinalabend!

März - Ronnie O'Sullivan kündigt Karriereende an

Ich komme nicht umhin, Kathi ein wenig zuzustimmen, wenn sie sagt, dass sie es teilweise ein wenig leid ist, Ronnie O'Sullivans ständige Eskapaden zu erdulden. Zweifelsfrei ist der inzwischen siebenfache Weltmeister in sportlicher Hinsicht über jeden Zweifel erhaben. Und klar, ein Zugpferd für Ticketverkäufe wird der 47-jährige bleiben, solange er Teil der Main Tour ist. Doch der Umgang mit Kollegen, Schiedsrichtern und Offiziellen hat auch im Jahr 2022 wieder für die eine oder andere unnötige Diskussion gesorgt, ohne jetzt schon wieder das Wort Skandal in den Mund die Tastatur zu nehmen. Daher fände ich die Ankündigung (und vor allem diesmal: Durchsetzung) des Karriereendes von 'The Rocket' nach der laufenden Saison durchaus erfrischend.

April - Turniere in China für neue Saison angekündigt

Keine Frage, der Wegfall der Turniere in Fernost war ein tiefgreifender Einschnitt auf der fast schon zu vollen Snooker-Tour vor dem Beginn der Corona-Pandemie. Inzwischen fehlen diese aber enorm, darüber können auch dreiwöchige Qualifikationen an zwei Tischen nicht hinwegtäuschen. Und auch wenn es sicherlich noch ein paar Jahre dauern dürfte, bis wir in dieser Hinsicht wieder auf dem gleichen Stand wie 2018/2019 sind, sollten die aktuellen Entwicklungen ein wenig Mut machen, dass es in Zukunft wieder möglich sein wird, größere Sport-Events im Reich der Mitte austragen zu können.

Mai - Weltmeister-Debüt

Sind wir ehrlich: Über die Qualität der Weltmeisterschaften, vor allem in Hinblick auf grandiose (Halbfinal-)Matches und Dramen, kann man wahrlich nicht meckern. Aber doch über die Anzahl der wirklichen Überraschungen und vor allem Weltmeister-Debüts. Dies wurde in den letzten 16 Jahren sträflich vernachlässigt. Nur vier Spieler (Neil Robertson, Mark Selby, Stuart Bingham und Judd Trump) krönten sich seit 2007 erstmals mit dem wichtigsten Titel der Main Tour. Da wäre doch dringend mal wieder eine schöne Aschenputtel-Geschichte fällig, oder nicht? Und da rede ich noch gar nicht mal davon, dass wir auch seit 2002 keinen Entscheidungsframe mehr in einem WM-Finale erlebt haben.

Juni - Simon Lichtenberg in Q-School

Noch im vergangenen Jahr hatten wir den Luxus, mit Lukas Kleckers und Simon Lichtenberg zwei deutsche Spieler auf der Main Tour zu haben. Beide landeten zum Saisonende außerhalb der Top 64 und mussten sich somit den Profi-Status wieder zurückholen. Dabei war Lichtenberg gar nicht allzu weit weg von den 64 besten Spielern, was seinen nächsten Schritt umso überraschender machte. Der Berliner verzichtete auf die Q-School und widmet sich derzeit anderen Dingen abseits des Snooker-Sportes. Kleckers hingegen ging in das harte Qualifikations-Turnier und sicherte sich die sofortige Rückkehr unter die Profi-Riege. Ich würde mir wünschen, dass sich der Name "Simon Lichtenberg" im kommenden Jahr auch wieder dort befindet.

Juli - PTC-Serie kehrt zurück

Dieser Wunsch fällt wohl leider in die Kategorie "unrealistisch", aber nie hat mir die PTC-Serie so sehr gefehlt wie in dieser Saison. Diese schönen, knackig kurzen 3-Tages-Turniere hätte ich deutlich lieber gehabt als ellenlange Qualifikationen. Nicht nur, dass man es verpasst hat, viele tolle Austragungsorte wie Riga, Gdynia, Lissabon, Sofia oder Antwerpen nicht weiter auszunutzen; eine Rückkehr der PTC-Events wäre eine perfekte (Übergangs-)Lösung für den angeknacksten Turnierkalender der Main Tour. Auch die Stadthalle in Fürth (siehe nächster Wunsch) hätte sicherlich nichts dagegen, das Paul Hunter Classic wieder als Minor Ranking Event anzubieten. Nicht zuletzt hatte auch der Pro-Am-Modus der PTC-Events einen eigenen Charakter, schließlich hat mich nur eine grausame Auslosung (Gruß an Marcin!) 2018 an einem Duell mit Alfie Burden gehindert.

August - Maximum in Nürnberg verpassen

Es war eine Nachricht mit gemischter Gefühlsauslösung, die da im November durch die Kanäle trudelte. Super, das European Masters bleibt in Deutschland. Allerdings nicht in Fürth, sondern in Nürnberg. Der Auszug aus der Stadthalle löst Wehmut aus, hat dieser Austragungsort doch herausragende Bedeutung für die Entwicklung von Live-Snooker in Deutschland. Nun bekommt also die Metropol Arena ein paar Kilometer weiter die Chance, sich zu beweisen. Neben einem erfolgreichen Turnier wünsche ich mir ein Maximum Break. Schließlich muss ja auch im Venue irgendwas Spannendes passieren, während ich gemütlich was essen gehe.

September - Mixed Doubles in Hongkong

Es gibt wenige Einladungsturniere für acht Spieler, die beim Zuschauen Begeisterung auslösen und langfristig in Erinnerung bleiben. In dieser Saison gab es gleich zwei davon, deren Kombination ich mir sehr gut vorstellen könnte. Das World Mixed Doubles, bei der jeweils die Top 4 der Damen und Herren in gemischten Teams gegeneinander antreten, war eine hervorragende Idee, die nicht nur gutes Snooker hervorbrachte, sondern auch interessante Dynamiken im Solo-Sport Snooker offenbarte. Dann kam das Hongkong Masters, das jegliche Größenordnungen an Zuschauerzahlen sprengte. Knapp 9.000 Personen schauten live vor Ort das Finale zwischen Marco Fu und Ronnie O'Sullivan, was selbst vor dem eigenen TV für Gänsehaut sorgte. Ich könnte mir gut vorstellen, im dortigen Coliseum nächstes Jahr das Mixed-Turnier (vielleicht sogar mit mehr Spielern) auszutragen und diesen Standort weiter zu festigen.

Oktober - Champion of Champions im deutschen TV

Das Champion of Champions hat sich von einem bei vielen Fans als "sinnlose Masters-Kopie" oder "weiteres Elite-Turnier" verrufenem Event zu einem der beliebtesten Einladungsturniere entwickelt. Das liegt nicht nur am professionell durch ITV und durch die Veranstalter glanzvoll in Szene gesetztem Turnier mit nur einem Tisch selbst, sondern auch an den interessanten Qualifikationsmöglichkeiten sowie der Qualität an Matches, die dort in der Vergangenheit abgerufen wurden. Doch Jahr für Jahr schauen Fans in Deutschland mit ängstlicher Ungewissheit, ob und wie sie das Turnier überhaupt verfolgen können. Da die Rechte hierzulande nicht bei Eurosport liegen, ist man stets auf teils verschiedene Streaming-Anbieter angewiesen, die mal mehr und mal weniger mit Zuverlässigkeit glänzen. Wird Zeit, dass sich das ändert!

November - UK-Championship mit langen Distanzen

Die Reform des zweitwichtigsten Weltranglistenturniers in der laufenden Saison fand - verdientermaßen - enormen Anklang. Das Tier-Setzsystem und die damit spannungsreiche Qualifikation, verbunden mit einem hochklassigen, seriös organisierten Hauptevent in York, sorgte für eines der besten Turniere des Jahres und die Rückkehr von Erinnerungen an die "guten alten Zeiten". Jetzt fehlt eigentlich nur noch der letzte Schritt, nämlich die Wiedereinführung der längeren Distanzen mit mehreren Sessions auch schon vor dem Finale. So unwahrscheinlich dies auch ist, wäre das wohl eines der besten Geschenke, das man alteingesessenen Snookerfans in der Vorweihnachtszeit 2023 machen könnte.

Dezember - Deutschsprachiger Spieler unter Top 64

Zum Abschluss würde ich gerne noch einen sehr hoffnungsvollen Wunsch unterbringen, der sich nach derzeitigem Stand in der Weltrangliste nicht allzu optimistisch darstellt. Mit Alexander Ursenbacher und Lukas Kleckers befinden sich momentan nur zwei deutschsprachige Akteure auf der Main Tour. Lukas ist in seinem ersten von zwei garantierten Jahren und derzeit noch ein gutes Stück von den Top 64 entfernt. Darin befindet sich Ursenbacher hingegen noch, mit starker Betonung auf dem "noch". Nach einer schwachen Saison 2021/2022 hat der Schweizer ein gutes Stück Arbeit im Rest der Saison vor sich, um diesen Status zu halten und damit vor allem seinen Profi-Platz zu sichern. Drücken wir die Daumen, dass er das schafft.